Eine Zeitzeugin im Geschichtsunterricht der Jahrgangsstufe 10

Besuch einer Zeitzeugin im 10. JahrgangAm 18.11.2016 hatten die Schüler/innen aller 10. Klassen die Gelegenheit, sich mit einer Zeitzeugin darüber zu unterhalten, wie ihre Familie und sie die Zeit des Nationalsozialismus erlebten und welche Bedeutung diese Erfahrungen für ihr weiteres Leben hatte.

Frau Bindel berichtete sehr eindrucksvoll über die Geschichte ihrer Familie, die 1939 getrennt wurde, da ihr Vater untertauchte und sich versteckt hielt. Da er jüdischer Herkunft war, galt Frau Bindel in der NS-Zeit als Halbjüdin. Für alle Zuhörer/innen sehr ergreifend erzählte sie, was das für sie als Kind bedeutete, und schilderte einige prägende Kindheitserlebnisse aus den Jahren bis zum Ende der NS-Herrschaft im Jahr 1945. Danach berichtete sie über ihre Erfahrungen in der Nachkriegszeit. Sowohl ihre anschaulichen Ausführungen zu Erlebnissen mit sowjetischen und amerikanischen Besatzungstruppen als auch ihre Erinnerungen an ihre Schulzeit in Westberlin zogen dabei die anwesenden 10. Klässler/innen in ihren Bann.
Zum Abschluss betonte die Zeitzeugin wie wichtig es für sie sei, an diese Zeit zu erinnern und darüber gerade mit jungen Menschen in Austausch zu treten.

Als Erinnerungsorte sind für Frau Bindel die Stolpersteine von großer Bedeutung, die mittlerweile in ganz Deutschland zu finden sind. Durch sie ist es möglich, der Erinnerung Namen zu geben und niemals zu vergessen, dass es Männer, Frauen und Kinder aus der Mitte der Gesellschaft waren, die den Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Auch für den Vater von Frau Bindel wurde vor seinem letzten offiziellen Wohnsitz in Berlin-Karlshorst ein Stolperstein verlegt.

Wie sehr Frau Bindel die Schüler/innen mit ihren Schilderungen beeindruckte, zeigte sich schon während der Veranstaltung an den vielfältigen Fragen, die sie bereitwillig und offen beantwortete. Auch in den folgenden Geschichtsstunden war der Gesprächsbedarf der Schüler/innen zunächst ungebrochen und zeigte wie intensiv sie sich mit der Situation auseinandergesetzt hatten. Das wird unter anderem in Reaktionen wie den folgenden deutlich, die exemplarisch für viele ähnliche Schüleräußerungen stehen:

„Liebe Frau Bindel,
als erstes möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie die Zeit und den Mut gefunden haben, uns Ihre eigenen, ganz persönlichen Eindrücke von der damaligen Zeit zu schildern.
[…] Ich würde mich sehr freuen, wenn andere Schüler auch die Chance hätten, Ihren Lebensweg zu bewundern und nicht zu vergessen. Denn nur das Vergessene kann wiederholt werden. […]

„[…] Ich finde es beeindruckend, wie gut Sie, trotz Ihrer schweren Kindheit, Ihr Leben gestaltet haben. Dafür braucht es eine starke Persönlichkeit und die haben Sie in meinen Augen. Danke! […]“

„[…] Ich möchte mich bei Ihnen auch dafür bedanken, dass Sie auf alle Fragen eingegangen sind, die wir gestellt haben. […]

„[…] Wir wünschen uns, dass Sie sich bei uns wohlgefühlt haben und uns noch einmal besuchen kommen. Wir haben uns alle sehr gefreut, Sie bei uns begrüßen zu dürfen. […]“

Auch Frau Bindel berührten sowohl einige der Fragen als auch die Reaktionen einiger Schüler/innen zutiefst. Sie dankte allen anwesenden Schüler/innen für ihr Interesse und für den auch für sie eindrucksvollen Austausch und kann sich gut vorstellen, unsere Schule wieder zu besuchen.

Von mir ebenfalls ein großes Lob und herzlichen Dank an alle Teilnehmer/innen und ganz besonders an Frau Bindel! Auch ich hoffe, dass wir sie bald wieder an unserer Schule willkommen heißen dürfen.

Dr. A. Ingenbleek
Foto: Fr. Dr. Ingenbleek