Vergewaltigung, Messerstecherei, Diebstahl: „Zwei Mädchen missbraucht und vom Balkon geworfen!“ „LIDL verarmt – pleite durch Asylbewerber!“

Das sind Gerüchte, mit denen sich die Bewohner und der Leiter des Flüchtlingsheims auseinandersetzen müssen. Keiner dieser Vorfälle hat sich je ereignet! Die beiden Mädchen, die vermeintlich missbraucht wurden, gibt und gab es nicht einmal. Auch wird LIDL nicht schließen, im Gegenteil, und ALDI baut sogar aus.

Das Flüchtlingsheim, um das es hier geht, befindet sich in der Salvador-Allende-Straße. Es wird von Frank Gips geleitet und von Herrn Haas und seiner Bürgerinitiative unterstützt. Diese Bürgerinitiative hat es sich auf die Fahne geschrieben, den Asylbewerbern unter die Arme zu greifen. Dazu wurde der Runde Tisch gegründet. Hierzu gehören alle, die sich beteiligen wollen, wie zum Beispiel Wohnungsbaugesellschaften, Krankenhäuser, Schulen und die Polizei. Anfangs trafen sie sich einmal im Monat, doch durch die Beruhigung der allgemeinen Situation ist das häufige Treffen nicht mehr notwendig. Die Bürgerinitiative unterstützt nicht nur die Asylbewerber bei ihrem Integrationsverfahren, sondern organisiert auch Feste und Veranstaltungen, um die Flüchtlinge den Einheimischen in der Umgebung näher zu bringen. Außerdem helfen die Veranstaltungen den Flüchtlingen dabei, zu lernen sich gegenseitig zu würdigen, da momentan 325 Personen aus 25 verschiedenen Nation, wie aus dem Balkan, asiatischen und afrikanischen Raum, dort leben.

Einer dieser Menschen ist Ghaswan. Er floh mit seiner tauben 7- jährigen Tochter aus dem Irak vor Krieg und Zerstörung. Seine restliche Familie musste er zurücklassen, in der Hoffnung sie bald nachholen zu können. Um seine restliche Familie in Sicherheit zu wissen, muss Ghaswan viel sparen. Bis dahin pflegt er regelmäßigen Kontakt zu ihr. In seiner alten Heimat war er 12 Jahre lang Polizist, 10 davon während des Krieges. Der Alltag in Deutschland sieht anders aus. Nachdem er seine Tochter morgens in den Kindergarten für Hörgeschädigte gebracht hat, besucht er einen Deutschkurs. Nachmittags holt er seine Tochter wieder ab und das alles fünfmal die Woche. Ghaswan hat momentan nur eine Aufenthaltserlaubnis von 3 Jahren. Er würde aber gerne hier bleiben und bei der Security arbeiten. Auf die Frage, ob er hier Probleme hätte, antwortete er schnell – zu schnell! Mit einem unsicheren Lächeln sagte er Nein, es gäbe keine Probleme – überhaupt keine Probleme! Dies können wir nur schwer glauben, da schon von vornherein die langwierige und komplexe Aufnahmeprozedur für Probleme sorgt.

Nach einer gefährlichen Flucht kommen die Flüchtlinge in Erstaufnahmestellen. Dort werden sie erstmalig medizinisch untersucht und bekommen einen Termin beim Bundesamt, um Asyl zu beantragen. Dabei müssen sie sich Interviews unterziehen, in denen erfragt wird, warum und woher sie kommen. Gleichzeitig wird bei Familien geschaut, ob sie Kinder haben. Diese werden dann schnellstmöglich in Schulen untergebracht. Dieser Prozess der Erstaufnahme kann 3 Wochen bis 6 Monate dauern. Danach kommen die Meisten in Gemeinschaftsunterkünfte wie in der Salvador-Allende-Straße.

Wir danken der Heimleitung für ihre Offenheit und dass es uns ermöglicht wurde, einen Einblick in die alltägliche Situation dort zu bekommen.

Friederike (Q3)