Der Q3-Kurs Politikwissenschaften ist im Rahmen des vom Senat ins Leben gerufene „Blumenstraußprojektes” nach Woltersdorf gefahren, um einen Zeitzeugen des Faschismus zu interviewen.

Herr Ingster ist einer der wenigen Juden, der ein Konzentrationslager überlebt hat und noch weiterhin in Deutschland wohnt. Wir wurden herzlichst von ihm und seiner Frau empfangen. Herr Ingster erzählte uns vom Faschismus aus seiner besonderen Sicht als Zeitzeuge und letztes Mitglied einer jüdischen Familie von 60 Personen. Alle anderen Familienmitglieder sind im Konzentrationslager umgekommen. Er berichtete von seinen Erlebnissen im Konzentrationslager, die ich nicht mehr vergessen werde.

Sein Onkel wurde vor seinen Augen erschossen, weil der diensthabende Offizier nur dann drei Tage Urlaub bekam, wenn er zuvor einen Juden erschossen hatte. Sein Onkel hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. Der Offizier hatte seine Mütze weggeworfen. Derjenige, der die Mütze zurückholte, wurde erschossen und derjenige, der die Mütze liegen ließ, wurde totgeprügelt. Auch machte sich Herr Ingster in den Konzentrationslagern, in die er geschickt worden war, immer älter als er war. Er war erst 14, sagte aber, dass er 16 sei. Somit wurde er als Arbeitskraft eingestuft, was seine Chancen zu überleben erhöhte. Er bekam zwar mehr zu essen, musste aber mit 14 wie ein Erwachsener schwer körperlich arbeiten.
Erst nach seinen Erzählungen wurde mir klar, wie hart und grausam der Alltag und die Arbeit in Konzentrationslagern gewesen sein musste. Unfassbar ist, dass Herr Ingster acht Konzentrationslager überlebt, seine komplette Familie verloren hat und trotzdem sehr lebensfroh ist.

Nach dem Krieg ging Herr Ingster nach Schwerin und entschloss sich somit, in Deutschland zu bleiben. Er arbeitete anfangs als Zahnarzthelfer, setzte seine schulische Ausbildung fort und machte sein Abitur in der Abendschule.
Herr Ingster blieb 15 Jahre in Schwerin. Nach seiner Ausbildung zum Kantor übernahm er dort für fünf Jahre das Kantorenamt. Anfang der 1960er Jahre wechselte er als Abteilungsleiter zum Funkwerk Köpenick in Berlin und wurde Kantor der jüdischen Gemeinde in der Rykestraße.

R. Waldow